„Die wöchentliche Autowäsche in der heimischen Einfahrt ist selten geworden“, weiß Roland Wagner, Leiter Produktmarketing der CODESYS Group. „Stattdessen fahren wir in die nächstgelegene Waschstraße mit Auffangbecken und Filtersystemen, um unser ‚heilig‘s Blechle‘ zum Glänzen zu bringen.“ Oft ist dort die Kfz-Wäsche zwar noch manuell möglich. Eine voll automatisierte Autowaschanlage kommt aber zu schnelleren und meist gründlicheren Ergebnissen. Wenn das nicht so wäre, müssten Ingenieure ja auch den Glauben an die Automatisierung verlieren. Bei den Textilwaschstraßen der Marke Soft Car Wash gehen die Schweizer Hersteller sogar noch einen Schritt weiter. Für die Verwaltung und Wartung der Anlagen werden die Möglichkeiten von Industrie 4.0 genutzt.
Einzigartiges Textil-Waschstraßenkonzept
Unternehmer Martin Dellenbach hatte bereits 1997 das Potenzial der Autowäsche erkannt. Zusammen mit Lieferanten hat er seitdem ein einzigartiges Textil-Waschstraßenkonzept entwickelt. Heute steht seine Firmengruppe hinter rund 40 Waschanlagen in der ganzen Schweiz sowie in Süddeutschland: Soft Car Wash aus Oberwil/Schweiz ist der größte Betreiber von Autowaschstraßen in der Schweiz. „Die Autowäsche ist ein Massengeschäft, bei dem eine hohe Frequenz zählt. Mit einer hohen Automatisierung und Qualität können wir den Durchlauf einer Anlage von 25 000 auf über 50 000 Autos pro Jahr verdoppeln und die Waschstraßen dadurch hochrentabel betreiben“, stellt M. Dellenbach heraus. „Besonderen Wert legt der Anbieter auf sparsamen Einsatz von Energie, Wasser und Reinigungschemikalien sowie auf eine sorgfältige Schmutz- bzw. Brauchwasserreinigung“, ergänzt R. Wagner.
Als europaweit einziger Hersteller kann Soft Car Wash heute schlüsselfertige Anlagen von der Planung bis zum Betrieb liefern. Zur Firmengruppe gehört die Autowaschtechnik AWT AG, die sich auf die Entwicklung und die Herstellung der hochwertigen Textilwaschstraßen spezialisiert hat. „Unsere 40 m bis 50 m langen Waschstraßen sind weitgehend automatisiert“, stellt M. Dellenbach heraus. AWT hat sich mittlerweile zum Komplettanbieter entwickelt, der alles „aus einer Hand“ liefern kann. Dazu gehört neben der laufenden Wartung im Rahmen von Full-Service-Verträgen vor allem auch die Zurverfügungstellung des dahinterstehenden Betreiber-Knowhows. Die reibungslose Funktion der Anlagen wird mit einem langfristigen Wartungsvertrag sichergestellt: Verschleißteile lassen sich automatisch austauschen und Neu- oder Weiterentwicklungen auch in bestehenden Anlagen nachrüsten. Gleichbleibend gute Waschergebnisse werden gewährleistet, Ausfallzeiten vermieden und der Werterhalt der Anlagen sichergestellt.
Leistungsfähige Automatisierungstechnik und smartes Datenmanagement
Voraussetzung für das Erfolgsmodell der Unternehmensgruppe ist eine leistungsfähige Automatisierungstechnik und ein entsprechendes smartes Datenmanagement. Die intelligente Steuerungstechnik der Waschanlagen ist von zentraler Bedeutung zur Erreichung der gesteckten Ziele. Denn auch wenn die Systeme standardisiert sind, so unterscheiden sich doch die Umgebungsbedingungen jeder Anlage, zum Beispiel in Bezug auf Wasserhärte oder typische Fahrzeugverschmutzungen. In einer Anlage sind Waschstraße, Selbstbedienungs- und Saugerplätze mit je einer Steuerung ausgerüstet. Bei der Steuerungstechnik setzt die Autowaschtechnik AWT AG voll auf CODESYS-basierte Systeme. Genutzt wird CODESYS aber auch für die Erstellung der Visualisierungsscreens. Entwickelt und optimiert werden die Steuerungsapplikationen für die Waschanlagen von einem erfahrenen Systemintegrator, der Schweizer Inasoft GmbH. Das Unternehmen ist seit vielen Jahren CODESYS Premium System Partner und hat zahlreiche erfolgreiche CODESYS-Projekte realisiert. Schon früh befasste sich Inasoft mit dem CODESYS Automation Server, der cloudbasierten Administrationsplattform für Steuerungssysteme.
Nutzen einer Industrie-4.0-Plattform
Gerade für die Entwicklung und Optimierung der Applikationssoftware für Waschanlagen steht der Nutzen einer Industrie-4.0- Plattform wie dem CODESYS Automation Server stark im Vordergrund. „Der Betreiber erhält schnell einen Überblick über die ausgelieferten Steuerungssysteme, die allein in der Schweiz an derzeit mehr als 30 Standorten verteilt sind“, betont R. Wagner. Sowohl Quell- als ausführbarer Binärcode können zentral verwaltet werden, inklusive der Berechtigungen für den einfachen Zugriff auf die aktuellsten Versionen. Updates können schnell in die bereits installierten Waschanlagen geliefert werden, ohne dass ein Mitarbeiter vor Ort mit dem SPS-Programmiertool arbeiten muss. Ein Gerätetausch lässt sich softwareseitig schnell abschließen. So sind betroffene Anlagen wieder schnell betriebsbereit, ohne dass Verluste bei Betriebseinnahmen entstehen. Aufgrund dieser Vorteile hat Inasoft in Absprache mit seinem Kunden schon früh damit begonnen, die Autowaschanlagen im Rahmen eines Pilotprojekts mit dem CODESYS Automation Server zu verbinden. „Nur vier einfache Schritte sind erforderlich, um die CODESYS-Steuerungen an den Automation Server anzubinden“, weiß Ruedi Gloor, Geschäftsführer bei Inasoft. Zuerst werden Konten für den CODESYS Automation Server im CODESYS Store eingerichtet. Dann werden die Steuerungen mit dem Internet verbunden. Dazu steht eine ganze Reihe von Security-Maßnahmen zur Verfügung – zum Schutz von Gerät und Applikation. Das sogenannte CODESYS Edge Gateway schafft eine zusätzliche Sicherheitsstufe, und zwar durch die Trennung der Steuerungsnetzwerke vom Internet. Das Gateway ist somit der Übergangspunkt zwischen dem lokalen Steuerungsnetzwerk und der Cloudplattform. In Richtung Cloud wird dabei die Kommunikation immer mit X.509-Zertifikaten verschlüsselt und signiert. Über ein entsprechendes Kommando im CODESYS Development System registriert Inasoft die Edge Gateways der unterschiedlichen Waschanlagenstandorte im Konto des Automation Servers. Alle an die Gateways angeschlossenen Steuerungen findet Inasoft durch einen NetzwerkScan in der Weboberfläche und kann sie per Mausklick in die Verwaltung des Automation Servers übernehmen. Mehr ist für die zentrale Listenansicht der Geräte nicht zu tun. Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit kann Inasoft die Steuerungen zusätzlich in sogenannten Topologieansichten grafisch strukturieren, z. B. mit Kartenansichten für die Standorte in Deutschland und der Schweiz, oder sie zusammengefasst nach unterschiedlichen Anlagentypen anzeigen.
Verbindung von OT- und IT-Ebene
Die gewählte Steuerungslösung wird nach und nach auch in den Bestandsanlagen eingeführt. Das Ziel dabei ist, dass alle Anlagen technisch auf dem gleichen Stand sind. Wesentliche Voraussetzung dafür, dass Komponenten bei Unternehmer M. Dellenbach eine Chance haben, ist die Offenheit: „Offenheit erhöht signifikant unsere Flexibilität.“ Eine sehr offene Lösung ist neben den CODESYS-Lösungen der „SQL4automation Connector“ von Inasoft Systems, der zur Standardausrüstung einer jeden Waschanlage gehört. „Damit wird komfortabel, sicher und einfach die Steuerung mit der SQL-Datenbank verbunden“, schließt R. Gloor an. „Für jede Komplettwaschanlage ist eine Softwarelizenz in der Ultimate-Version mit 40 Verbindungen vorgesehen.“ Damit lassen sich mehrere Datenanfragen parallel von allen drei Steuerungen einer Anlage realisieren. Auf den Waschstraßen werden viele Daten gesammelt: Dazu gehören Waschzahlen pro Waschstraße, Selbstbedienungswaschplätze, Staubsauger, Umsatz, Statistik, Verkauf sowie der über Dosierpumpen erfasste Verbrauch von Chemikalien und Wasser sowie vieles mehr – selbst die Größe der Fahrzeuge. Über die erfassten Daten kann zum Beispiel der Bestellvorgang benötigter Verbrauchsmaterialien automatisiert werden. Viele Anwendungen haben sich erst nachträglich ergeben. Das ist typisch Industrie 4.0: Zuerst werden Daten gesammelt und später nutzbar gemacht. So wird eine schrittweise Optimierung einfach möglich. Genau erfasst wird auch der Verschleiß von Bauteilen. Zum Beispiel wird die Laufzeit des Kettenmotors, der die Autos durch die Waschstraßen zieht, registriert. Auch die Nutzungszeit der Waschbürsten wird erfasst, und zwar nur die tatsächliche Eingriffszeit der Bürsten am Auto. Mit diesen Informationen wird die Wartung perfektioniert.
Da der Support der 40 laufenden Anlagen von AWT geleistet wird, werden Meldungen und Alarme an die Zentrale über eine VPN-Verbindung geschickt. Somit lässt sich nun die Fehlerdiagnose und das Monitoring aus der Ferne durch AWT realisieren. Alarmmeldungen werden direkt an die Wartungsverantwortlichen gesendet. Erleichtert wird dies durch die Tatsache, dass in allen Anlagen die gleichen Komponenten verbaut sind. Die Laufzeiten sowie die Betriebs- und Reparaturstatistiken sind wiederum wertvolle Informationen zur weiteren Optimierung der Anlagen. „Alle anlagenspezifischen Daten werden über ,SQL4automation‘ aus der Datenbank ausgelesen“, unterstreicht Roger Kunz, Geschäftsführer bei Inasoft. Diese Daten sind unter anderem Portal- Anordnungen, Dosiermengen, Chemikalient
www.inasoft.ch
www.sql4automation.com
von Ronald Heinze, open automation Ausgabe 1-2/2020 openautomation.de