Der Urknall für die dritte und vierte industrielle Revolution

Speicherprogrammierbare Steuerungen sind nicht weniger als die Schlüsseltechnologie moderner Industriekonzepte. Wir erzählen die Geschichte der ersten frei programmierbaren Mikroprozessorsteuerung für Industrieanwendungen, die 1976 die Industrie veränderte – die FPS 76.

Über viele Jahre waren sie als Entwicklungsleiter und Geschäftsführer die treibenden Köpfe der Berghof Automation, haben 1976 mit der „FPS 76“ die erste frei programmierbare Mikroprozessorsteuerung für Industrieanwendungen Deutschlands auf den Markt gebracht – und damit eine echte Pioniertat vollbracht. Die Gründerväter erinnern sich an dieses Ereignis zurück und lassen die spannende Entwicklung von dieser ersten smarten Industriesteuerung bis hin zu den smarten Fabriken unserer Tage Revue passieren.


Intel-Mikroprozessor elektrisiert Berghof
Wie heißt es im Volksmund so schön: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss der Prophet halt zum Berg kommen. Und so reisen Mitarbeiter von Berghof im Jahr 1976 kurz entschlossen in die USA zu Intel, um sich die ersten Erprobungsexemplare des „I8080“, des ersten vollwertigen Mikroprozessors der Welt, höchstpersönlich und vor allen anderen zu sichern.

„Wer seiner Zeit voraus sein will, darf halt nicht lange fackeln“, kommentiert Richard Häußermann diese aufwändige Beschaffungsmaßnahme achselzuckend. Schließlich hatten er und sein Team ein klares Ziel: Der „I8080“ sollte das Herzstück der ersten frei programmierbaren Mikroprozessorsteuerung für Industrieanwendungen Deutschlands werden.

Die Kontakte zu Intel hatten die Berghof-Experten vorher auf einer Präsentationstour geknüpft, auf der Intel-Manager damals in Europa ausgesuchten Unternehmen ihre Zukunftspläne vorgestellt hatten – und waren fortan regelrecht elektrisiert durch die völlig neuen Möglichkeiten, die ihnen der Intel-Mikroprozessor eröffnen würde. Ihre Vision: „Durch das integrierte Betriebssystem wollten wir es erstmals ermöglichen, dass in einer Industriesteuerung verschiedene Aufgaben parallel getaktet werden können“, erinnert sich Friedrich Arnold zurück.

Gestern und heute: SPS spielt zentrale Rolle
Schon kurze Zeit später haben die Berghof-Entwickler diese Vision in die Tat umgesetzt – und präsentieren der staunenden Fachwelt stolz ihr Werk: die FPS 76. Im ersten Verkaufsprospekt listen sie die wegweisenden neuen Möglichkeiten, wie es für Techniker üblich ist, eher nüchtern-sachlich auf: „Die ‚FPS 76‘ realisiert beliebige logische Verknüpfungen, Zähl- und Zeitfunktionen, Speicher- und Schieberegister sowie arithmetische Funktionen“.

Heute wissen wir: Was sich so unspektakulär liest, war nicht weniger als der Urknall für eine Technologie, welche die Industrie komplett umgewälzt hat – Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS). Auch bei den aktuellen Diskussionen um das Internet der Dinge, die immer stärker werdende Digitalisierung der Industrie – Stichwort: Industrie 4.0 – oder den Aufbau von Fertigungsanlagen, die sich hoch dynamisch an sich verändernde Erfordernisse anpassen lassen – Stichwort: Cyber-physische Systeme (CPS) – spielen speicherprogrammierbare Steuerungen durch ihre große Flexibilität und leichte Integrierbarkeit in industrielle Steuerungssysteme eine ganz zentrale Rolle. Im neuen Claim von Berghof Automation steckt also nicht nur der sprichwörtliche Funke, sondern eine ganze Menge Wahrheit – „Pioneering Automation Technology“.

Heute gibt es mehr als 300 SPS-Anbieter
Doch zurück zur FPS 76. Sie wird zu einem großen Erfolg und findet in den Folgejahren Verwendung in Spritzgussmaschinen, in Prüfanlagen, in Transport- und Logistikanlagen in Japan, den USA, Schweden, Italien und Frankreich. Kein Wunder, dass dieser bahnbrechende Erfolg der neuen Technologie viele Unternehmen und Menschen inspiriert: Heute tummeln sich auf dem europäischen Markt für speicherprogrammierbare Steuerungen, oft auch in Anlehnung an ihre englische Bezeichnung „programmable logic controller“ als PLC bezeichnet, mehr als 300 SPS-Anbieter. Auch die jährlich stattfindete Leitmesse benennt sich „Smart production solutions (SPS)“ – ein deutliches Zeichen dafür, wie vielfältig die Einsatzgebiete und wie groß die Vorteile von SPS sind.


SPSen werden zu Engineering-Werkzeugen
Und es werden ständig mehr. In den Anfangstagen standen vor allen Dingen die Vorteile bei der Installation wie die deutlich geringere Montage- und Verdrahtungsarbeit und der ebenfalls deutlich geringere Materialaufwand im Vergleich zu Steuerungskonzepten mit Relais im Vordergrund. Moderne SPS überzeugen darüber hinaus durch immer neue technologische Funktionalitäten, die mittlerweile weit über die Grundfunktionen überwachen, steuern und regeln von Sensoren und Aktoren hinausgehen. So haben sich speicherprogrammierbare Steuerungen, die letztlich von ihrem Grundaufbau her nichts anderes als ein spezifisch auf die Aufgabe „Steuerung“ ausgelegter Computer sind, über die Jahre zu regelrechten Engineering-Werkzeugen entwickelt.

Darüber hinaus bietet eine moderne SPS heute die Möglichkeit, sehr einfach und schnell per Fernwartung und Ferndiagnose von jedem beliebigen Ort in das System eingreifen zu können – was Upgrades oder Fehlersuche deutlich vereinfacht und immens Zeit und Kosten spart. Durch diese gravierenden Vorteile haben die auf digitaler Basis arbeitenden speicher-programmierbaren Steuerungen die auf fest miteinander verdrahteten Relais basierenden verdrahtungsprogrammierten Steuerungen (VPS), manchmal auch als verbindungsprogrammierte Steuerungen bezeichnet, fast vollständig verdrängt.

Softwarelösungen und Elektrohängebahnen
Noch einmal zurück zu den Anfängen und Berghof: Das Know-how im Bereich der SPS trägt schon bald weitere Früchte. Anfang der 1980er-Jahre etabliert sich das Unternehmen auch als Entwickler von Softwarelösungen für Logistikanlagen. Später kommt mit Elektrohängebahnen, vor allen Dingen für die globale Automobilfertigung, ein weiteres Standbein hinzu. Hier hat Berghof durch sein eigenes Powertrack-Konzept ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal – ein einzigartiges Schleifleitersystem zur sicheren Übertragung von Kommunikationsdaten mit speziell zugeschnittenem Softwarepaket.

Den richtigen Riecher für Hardware und Software
Apropos Software: Im Bereich Automatisierungssoftware ist Berghof ebenfalls ein echter Pionier – und zwar beim Thema Codesys. Schon 1995 setzt das Unternehmen bei der Entwicklung seines CANtrol – einem dezentralen, auf CAN-Bus basierenden, modularen industriellen Steuerungssystem – auf das damals ganz neue Software-Konzept. Damit zählen die SPS-Pioniere auch zu den ersten und damit erfahrensten Partnern von 3S und seinem Codesys, das sich mittlerweile als international erprobtes Engineering-Werkzeug als weltweiter Standard bei einer Vielzahl von Herstellern etabliert hat. Berghof hat also nicht nur in Sachen Hardware, sondern auch in Sachen Software den richtigen „Riecher“ gehabt.

Solides Fundament für vielfältigste Branchen
Ein Blick auf das Unternehmen Berghof Automation heute zeigt: Die Pionierleistung von Friedrich Arnold und Richard Häußermann und ihrem damaligen Entwickler-Team mit der FPS 76 hat ein solides Fundament geschaffen für ein Unternehmen, das sich in mehr als 40 Jahren vor allen Dingen durch seine Flexibilität und sein umfassendes Leistungsspektrum einen hervorragenden Ruf in nahezu allen Anwendungsbereichen und in den vielfältigsten Branchen quer durch alle Industrien erarbeitet hat: Beratung, Konzeption, Entwicklung neuer Systemlösungen, Technik, Software und Support – Berghof bietet seinen Kunden alles aus einer Hand. Und das weltweit, dank seines Netzwerks an qualifizierten und zertifizierten Experten in Steuerungstechnik – den „Berghof Certified Partners“.

Inhouse: die gesamte Prozesskette
Als eines der ersten Unternehmen in der Automation verfügt Berghof über einen einzigartigen Wissenspool und über ein ausgeprägtes Dienstleistungsdenken. Um immer eine optimale Qualität zu gewährleisten, hat das Unternehmen außerdem die gesamte Prozesskette – von der Ideenfindung über die Entwicklung bis hin zu sorgfältigen Produkttests und der Zertifizierung – nicht ausgelagert, sondern am Firmensitz in Eningen bei Stuttgart vereint.

„Die Vorteile dieser auf den unmittelbaren Austausch ausgerichteten Unternehmensstruktur schätzen unsere oft langjährigen Kunden sehr: Hoch qualifizierte und bestens aufeinander abgestimmte Teams, ausgeklügelte Prozessabläufe, enge Abstimmung aller Prozessfolgen mit kurzen Entscheidungswegen sowie Realisierungszeiten und dies alles kombiniert mit der Fertigung im eigenen Haus“, weiß Marc Finger, der heutige Geschäftsführer von Berghof Automation, aus Erfahrung.

Und er hebt noch einen weiteren, ganz zentralen Aspekt hervor: „Wir verzichten bewusst auf proprietäre Lösungen und setzen konsequent den offenen Standard von Codesys ein, was unseren Kunden zahlreiche Vorteile bietet – wie zum Beispiel das einfache Up- und Downgrading zwischen den einzelnen Codesys-Versionen. Außerdem kommt bei unseren speicherprogrammierbaren Steuerungen als Betriebssystem Linux mit Echtzeiterweiterung zum Einsatz, so dass sich verschiedene Softwaremodule einfach kombinieren und deterministisch abarbeiten lassen“.

Customizing – statt Produkte von der Stange
So gilt bis heute, was schon die Gründerväter Richard Häußermann und Friedrich Arnold als Maxime hatten: „Produkte von der Stange bieten viele – Individualität erhalten Sie von Berghof“. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Zahlreiche führende Akteure der Branche setzen auf die große Erfahrung und das breite Angebot von Berghof beim Thema Customizing. „Für uns ist es überhaupt kein Problem, für Kunden eine Steuerung nach einem vorgegebenen Design oder einer vorgegebenen Funktionalität zu produzieren. Außerdem haben wir eigens zu diesem Zweck einen geführten Prozess entwickelt, so dass wir in der Lage sind, individualisierte Produkte in kürzester Zeit zu realisieren“, hebt Marc Finger eine wichtige Besonderheit hervor.

Und diese Besonderheit bleibt wichtig: Obwohl die Anbieter von SPS ständig neue Standardsteuerungen auf den Markt bringen – für viele Projekte ist eine individuell zugeschnittene speicherprogrammierbare Steuerung immer noch besser. Deshalb wird Berghof auch in Zukunft Klasse statt Masse anbieten und nicht mit dem Strom schwimmen, sondern weiter konsequent seinen eigenen Weg verfolgen. Eben ganz so, wie es sich für echte Pioniere gehört.

Der Artikel erschien in der Elektrotechnik Automatisierung 05/2019.

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