RFID-System "BL ident" für Identifikationslösungen

Hans Turck GmbH und Co. KG / Mülheim an der Ruhr / Deutschland

 

War RFID vor ein, zwei Jahrzehnten in der industriellen Produktion nur vereinzelt zu finden, so wird die berührungslose Identifikationstechnologie heute mehr und mehr zum Stand der Produktionstechnik. Erheblich dazu beigetragen hat die Entwicklung unterschiedlicher Technologien und Standards. Während zu Beginn neben proprietären Lösungen (Frequenzen um die 1,5 MHz) nur Systeme mit 125 bzw. 250 kHz als offener Standard eingesetzt wurden, hat der Anwender heute die Qual der Wahl zwischen zahlreichen Frequenzen. Jede hat dabei ihre spezifischen Stärken für bestimmte Anwendungen.

Verschiedene Frequenzbereiche

Die über viele Jahre einzigen Standardfrequenzen im Bereich von 125 und 250 kHz waren den Herstellern bestens bekannt, da beinahe jeder induktive Sensor seit Jahrzehnten in diesem Frequenzband arbeitet. Die eingeschränkte Auswahl machte es vielen Anwendern einfacher, die „richtige“ Wahl zu treffen, auch wenn dabei Kompromisse nötig waren. Heute arbeiten RFID-Systeme in einem Bereich von 125 kHz über 13,56 und 433 MHz bis hin zu 5,8 GHz nach den unterschiedlichsten Standards, was die Auswahl schwieriger macht und erheblichen Sachverstand erfordert. All diese unterschiedlichen Systeme haben – abhängig von der jeweiligen Applikation – ihre Berechtigung. Für die richtige Auswahl sollte der Anwender beziehungsweise sein Systemintegrator die Applikation genau untersuchen, um dann zu entscheiden, welches System das richtige ist. Je nach Frequenz sind dabei unterschiedliche KO-Kriterien zu beachten.

Betrachtet man zunächst das Verhältnis der maximal zulässigen Sendeleistungen zu den möglichen Störgrößen, so liegt der Schluss nahe, hohe Frequenzen zu wählen, um einer möglichen gegenseitigen Beeinflussung zu entgehen. Wir sprechen hier von Lösungen im UHF Bereich zwischen 400 und 900 MHz sowie im Mikrowellenbereich mit 2,45 und 5,8 GHz. Außerdem erlauben die hohen Frequenzen je nach Ausführung Reichweiten bis zu 100 m, so dass diese Systeme mit dem klassischen „Besser mehr als weniger“ auf den ersten Blick die erste Wahl zu sein scheinen.

Große Reichweite – große Einschränkungen

Bei einigen Applikationen führen hohe Frequenzen allerdings zu erheblichen Schwierigkeiten: So ist die Absorption der Energie durch polare Flüssigkeiten wie beispielsweise Wasser umso größer, je höher die Frequenz ist (genau deshalb eignet sich ein Mikrowellenherd zum Erhitzen). Damit ist der Einsatz in der Lebensmittel- oder Getränkeproduktion – oder besser gesagt, überall dort, wo Feuchtigkeit auftritt – erheblich eingeschränkt oder sogar unmöglich.

Ein weiteres Problem könnte in einer metallischen Umgebung auftreten. Hier werden die Wellen reflektiert und teilweise gebündelt, so dass sich das ursprünglich gewünschte Datenträger-Lesefeld räumlich verschiebt und zerlegt, was zu fehlerhaften Lesungen durch falsch angesprochene Datenträger führen kann. Hier sind Systeme im HFBereich (13,56 MHz) eindeutig im Vorteil. Sie bieten war „nur“ Reichweiten bis maximal 100 cm, sind jedoch weitgehend unempfindlich gegen Feuchtigkeit. Nachteilig wirkt sich bei diesen Frequenzen die Absorption der Feldenergie durch eine metallische Umgebung aus. Hier bietet Turck aber spezielle Datenträger an, die zum Beispiel mit Ferritfolien ausgerüstet sind und so direkt im Metall montiert werden können. Alternativ reicht es aus, gewöhnliche Datenträger mit genügend Abstand zum Metall (Minimum 20…30 mm) zu montieren. Besonders effektiv lassen sich in einem metallischen Umfeld Systeme im 125kHz-Bereich implizieren. Es gibt hier sogar einige Sonderausführungen, mit denen man durch Metall hindurch Datenträger auslesen und beschreiben kann. Nachteilig bei diesen Systemen ist allerdings der geringe Störspannungsabstand, da gerade in diesem Frequenzbereich viele Emissionen im industriellen Umfeld auftreten. So arbeiten viele induktive Sensoren mit ähnlichen Frequenzen und mit gleichen Leistungen, was dazu führen kann, dass „der Stärkere siegt“.

Ein weiterer Nachteil der LF-Systeme ist die relativ geringe Übertragungsrate. Für schnelle Applikationen oder so genannte „On the fly“-Lese- und Schreiboperationen, bei denen die genannten Vorgänge in der Bewegung ausgeführt werden, sind diese Systeme also nur sehr begrenzt einsetzbar. Um möglichst kurze Taktzeiten und hohe Prozessgeschwindigkeiten realisieren zu können, muss das Beschreiben der Datenträger und auch das Auslesen in kürzester Zeit erfolgen. Für solche Applikation sind Systeme im 13,56MHz-Bereich unentbehrlich. Aufgrund der höheren Frequenz können deutlich mehr Informationen auf die Trägerwelle moduliert werden, sodass die Menge der pro Sekunde übertragenen Daten steigt.

BL ident kombiniert Frequenzen

Die Ausführungen zeigen, dass die Wahl eines passenden RFID-Systems für bestimmte Anwendungen nicht trivial ist. Sollen verschiedene Anforderungen kombiniert werden, musste sich der Anwender bislang häufig mit Kompromissen zufrieden geben. Mit der aktuellen Erweiterung seines RFIDSystems BL ident bietet Turck jetzt die Möglichkeit, die Vorzüge der HFund der UHF-Technologie in einem System parallel zu nutzen. Der Clou: Eine aufwändige Konfiguration ist für den Parallelbetrieb nicht erforderlich; es reicht aus, beispielsweise einfach einen UHF-Lesekopf an ein bestehendes HF-System anzukoppeln. Die deutlich erhöhte Reichweite von bis zu drei Metern erweitert das Applikationsspektrum enorm. Wurde BL ident bisher vornehmlich für die Produktionssteuerung eingesetzt, so erlauben die großen Reichweiten und die Fähigkeit zur Pulkerkennung nun auch den effizienten Einsatz in Distribution, Logistik sowie dem gesamten Supply Chain Management. Auf der SPS/IPC/Drives in Nürnberg stellt Turck die ersten beiden UHF-Leseköpfe vor, mit den Abmessungen 260 x 260 mm für Reichweiten bis zu drei Metern sowie 80 x 80 mm für Reichweiten bis zu einem Meter.

Universeller RFID-Baukasten

Die Möglichkeit, neben der für industrielle Produktionsprozesse optimalen 13,56MHz-Frequenz eine zweite Frequenz einsetzen zu können, ist das Ergebnis der kontinuierlichen Weiterentwicklung des BL ident-Pakets in engem Schulterschluss mit den Kunden. Das im April 2006 vorgestellte RFID-System wird seit seiner Markteinführung regelmäßig mit applikationsspezifischen Modulen erweitert, die dem Anwender die Lösung seiner Identifikationsaufgaben selbst in schwierigen Fällen erlauben.

So sind für das System schon seit Marktstart neben Standarddatenträgern für Temperaturen bis 120 °C auch Hochtemperatur-Tags bis 210 °C verfügbar. Damit können die Datenträger beispielsweise beim Einbrennen von Lacken in der Automobilproduktion zusammen mit dem Fahrzeugträger durch den Ofen wandern. Inzwischen stehen weitere Speziallösungen zur Verfügung, etwa für den Einsatz in Autoklaven. Die Schraubdatenträger widerstehen der Kombination aus Hitze, Feuchtigkeit und Druck. Zu den neuesten Entwicklungen zählen FRAM Datenträger mit einer Speicherkapazität von 8 kByte sowie Datenträger für die Montage auf Metall.

Auch bei den Schreibleseköpfen bietet BL ident eine reichhaltige Auswahl, von Standardmodellen im Sensorgehäuse bis zu applikationsspezifischen Sonderlösungen, etwa für den Einsatz in Rollenbahnen. So passt der TNLR-Q80L400 exakt in den Freiraum zwischen den Rollen einer 80 cm breiten Standard- Rollenbahn. Besonderer Clou: Der Q80 beherrscht die so genannte Pulkerkennung und ist somit in der Lage, mehrere Datenträger gleichzeitig zu erfassen.

Die Produktfamilie BL ident basiert auf den modularen I/O-Systemen BL67, BL compact und BL20 und besteht neben Datenträgern und Schreibleseköpfen aus Verbindungstechnik und Gateways. Dank des modularen Aufbaus lässt sich das RFID-System problemlos in bestehende Turck-I/O-Lösungen integrieren. Je nach Ausbaustufe stehen dazu zwei, vier, sechs oder acht Kanäle zur Verfügung. Feldbusschnittstellen sind für Profibus DP, DeviceNet, Ether- Net/IP, PROFINET IO und Modbus TCP zu haben.

Kompaktsteuerung im Gateway

Als Ergänzung zu den Interface-Bausteinen bietet Turck programmierbare Gateways an. Die Kompaktsteuerungen sind nach IEC 61131-3 mit ODESYS programmierbar und unterstützen die wachsende Nachfrage nach dezentralen Automationslösungen. Herz des Gateways ist ein 32-Bit RISC-Prozessor mit 512-kByte-Programmspeicher, der 1.000 AWLBefehle in weniger als einer Millisekunde abarbeitet. Als Programmierschnittstelle steht neben 10/100- MBit-Ethernet auch ein RS232-Interface zur Verfügung.

Mit seiner „Intelligenz“ entlastet das Gateway die übergeordnete Steuerung, da das gesamte Handling der RFID-Kommunikation direkt im Gateway erfolgen kann. Der für die SPS erforderliche Funktionsbaustein („Proxy Ident Block“) wird vor Ort im programmierbaren Gateway ausgeführt. Mit der übergeordneten Steuerung können somit gezielt nur Nutzdaten ausgetauscht werden.

Weitere Infos über Turck unter:
www.turck.de

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